Neue Veröffentlichung: Mobile Apps: Entwicklungs- und Endkundenverträge in ITRB

Neu erschienen ist der Artikel „Mobile Apps: Entwicklungs- und Endkundenverträge“, in der Zeitschrift „Der IT-Rechtsberater“ ITRB 2015, S. 99-100. Der Beitrag geht zurück auf einen Vortrag, den RA Lachenmann beim 2. deutschen IT-Rechtstag in Berlin gehalten hat. Die jährliche Veranstaltung wird durch die Arbeitsgemeinschaft IT-Recht im deutschen Anwaltverein (DavIT) organisiert.

Fundstelle: Lachenmann, ITRB 2015, S. 99-100.

Anmerkung für Kollegen: Der Beitrag ist über Juris/CR Online abrufbar.

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Neue Veröffentlichung: Kein Mitbestimmungsrecht bei Kamera-Attrappen in NZA

Neu erschienen ist der Artikel „Kein Mitbestimmungsrecht bei Kamera-Attrappen“, in der Neuen Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA) 2015, S. 591-595 (mit Markus Lang). Einen Überblick über die dort dargestellte Rechtslage findet sich im Blog der Kanzlei Lachenmann.

Fundstelle: Lang/Lachenmann, NZA 2015, S. 591-595.

Anmerkung für Kollegen: Der Beitrag ist über Beck Online abrufbar.

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Opernkritik Bayreuth 2015: Tristan und Isolde

Sinnbildlich für Katharina Wagners Regiekonzept in ihrer Neuinszenierung Tristan und Isoldes in diesem Jahr kann das Bühnenbild des dritten Aufzugs stehen: viel Theaternebel im Dunkel, ab und zu durchbrochen von einzelnen Lichtblicken. Wer nach Katharina Wagners kurzweiligen, klugen und spannenden Meistersingern ähnliches erwartet hatte, wurde enttäuscht: Diesmal wurde biedere Hausmannskost einer mittelmäßig begabten Regisseurin geboten, eine Inszenierung, die die Musik nicht stört (wie das ja viele gerne haben und so Wagners Gesamtkunstwerk verkennen), mit doch handwerklichen Mängeln. Wenn man den Unmut vieler Festspiel-Mitwirkenden über die künstlerische Leitung des Hauses hört und dies mit der Inszenierung vergleicht, würde man sich doch wünschen, dass Katharina all Ihre Energie in Ihre Tätigkeit als Leiterin steckt und begabteren Regisseuren das Feld überlässt.

Aber die Wagnerianer waren begeistert, bei Katharinas kurzem Auftritt zum Schluss gab es einhelligen Jubel – wohl die Freude darüber, dass es szenisch wenig zu denken und viel zu hören gab. Im 1. Aufzug sehen wir ein beeindruckendes Treppen-Labyrinth, das die Suche nach Wegen zueinander, ebenso wie die versperrten Pfade, eindrücklich darstellt. Aber eine solche Metaphorik ist für den gesamten Aufzug zu wenig, wenn dadurch eine Personenregie fast vollständig verhindert wird. Im zweiten Aufzug tänzeln die Sänger um wildgewordene Fahrradständer herum, die Regie wirkt hektisch und teils unbeholfen. Aber die Musik trägt das locker. Der dritte Aufzug gelingt noch am besten: Tristan erscheinen in seinen Fieberträumen verschiedene und verscheidende Isolden. Der statische Auftritt Markes wirkt hingegen unfreiwillig komisch. Wenn Katharina Tristans Satz „So waren wir Nachtgeweihte“ als Beweis nimmt, dass der Traum Tristan und Isoldes ihrer Vereinigung nicht wahr werden kann in der Tag-Welt, scheint sie die Oper nicht verstanden zu haben. Denn im Duett des zweiten Aufzuges wird nur allzu deutlich, dass die Protagonisten das Wort „Tod“ umdefinieren und so zur Erkenntnis des Irrtums der Subjektivität und des Eins-Sein mit dem Welt’ Atems glühenden All kommen.

Sängerisch ist der Abend exzellent, eine fast durchweg gelungene Premiere. Dies beginnt bereits in den kleinen Rollen, die durchwegs hervorragende besetzt sind – zu loben insbesondere Raimund Nolte als klangschöner Melot. Auch in den Hauptrollen nur eine kleine Einschränkung. Allen voran begeisterte Stephen Gould als kraftvoller, ausdrucksstarker, ausdauernder Tristan, der die Partie wie derzeit kaum ein zweiter singt. Auch im dritten Aufzug bleiben ihm bis zum Schluss scheinbar unermessliche Kraftreserveren. Leider wird Goulds differenzierte Gestaltung durch Evelin Herlitzius zu oft erdrückt, die sich reichlich laut und schreiig durch die Partie kämpft. Ihre Bühnenpräsenz ist unbestritten, ihre Piani und Mittellage beeindruck durchaus. Aber immer wenn sie laut wird, bleibt jede musikalische Schönheit auf der Strecke. Vermutlich wäre Anja Kampe die deutlich bessere Wahl gewesen.

Die Krone des Abends gebührt aber Georg Zeppenfeld, der mit völliger Textverständlichkeit, ausgiebiger Gestaltungskraft und seinesgleichen suchende Präsenz den Marke zum Highlight der Aufführung macht. Dies wird unterstützt von seiner angenehm leichten, aber überaus tragfähigen Stimme. Einer der herausragenden Bässe unserer Zeit. Überzeugen können auch Ian Paterson als ausgesprochen klangschöner, balsamischer und ausgiebig-gestaltender Kurwenal und Christa Mayer als hervorragende Brangäne, die (nach dem aufwärmen in den ersten Minuten) sehr präsent und kraftvoll überzeugte.

Fast könnte man also sagen, es wäre eine musikalisch sensationelle Aufführung gewesen – wenn da nicht das Dirigat Christians Thielemanns gewesen wäre. Keine Frage, es war sehr gut dirigiert: die Einsätze passten, das Orchester klangschön und wie bekannt qualitätsvoll und einige Stelle gelangen berührend. Aber im Vergleich zu den Jubelhymen, die ihm überall zukommen, war da doch noch reichlich Luft nach oben. Vor allem nervte Thielemann mit seinen bekannten Marotten: Der große Bogen der Partitur scheint ihn weniger zu interessieren als das Herausstellen kitschiger Einzelstellen. Stets hat man das Gefühl, Thielemann interessiere sich nur für den Effekt des Moments. So beispielsweise, wenn er ganz zum Schluss die Oboe nochmals völlig überdehnt und so den Schluss völlig zerstört. Auch könnte man seinen Einbau ständiger Generalpausen verschmerzen, wenn diese wenigstens eine innere Spannung aufweisen würde (wie es z.B. im 2. Aufzug Tannhäuser noch der Fall war) – im Tristan wirken die Generalpausen aber so, als ob jemand die Pause-Taste der CD gedrückt hätte und dann wieder auf Play drückt. Nach diesem Abend musste man sich fragen, ob es nicht besser für die Zukunft Bayreuths gewesen wäre, wenn Thielemann einen Posten in Berlin erhalten hätte.

Dies ist natürlich eine Einschränkung auf hohem Niveau und insgesamt bleibt diese Tristan und Isolde Aufführung ein Garant für ein volles Haus im Programm. Allerdings gibt es nunmehr szenisch jede Menge gepflegte Langeweile in Bayreuth: Tristan und Holländer, zu befürchten auch bei Laufenbergs Parsifal und  Hermanis Lohengrin. Der Elan der letzten Jahre, Bayreuth zu einem Hort des aktuellen, intelligenten und mit der Zeit gehenden Theaters zu machen – in einer Zeit, in der auch große Opernhäuser der Verflachung und Eventkultur frönen und möglichst langweilige Inszenierungen als Markenzeichen sehen – scheint erloschen. Möge uns das Feuer des Rings noch lange begleiten und Barry Kosky die Erwartungen erfüllen.

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Opernkritik: Epic-Parsifail. Parsifal in Berlin und Karlsruhe

Der Parsifal ist eine eindrückliche und mysteriöse Oper. Sie muss während der Osterzeit auf den Spielplänen  der Opernhäuser stehen und immer wieder neu inszeniert werden – egal, ob die Künstler etwas zu sagen haben oder nicht. An Neuproduktionen versuchen sich dieses Jahr die Staatsoper Berlin, die bei Wagner-Inszenierungen derzeit nichts halbwegs ordentliches zu Stande bringt, und das Staatstheater Karlsruhe, das letztes Jahr mit einer der besten Meistersinger-Inszenierungen aller Zeiten auf sich aufmerksam machte. Beide scheitern kläglich und machen aus dem Epos Parsifal einen Epic-Parsifail.

Ein Parsifal muss unbedingt weihevoll und mystisch sein, so wollen es Publikum und Künstler. Musikalisch soll das alles langsam, ruhig, getragen sein, szenisch zurückhaltend, weihrauchgeschwängert und überhaupt wie ein Gottesdienst oder eine kultische Handlung zelebriert werden. Darüber wird dann gerne vergessen, dass irgendeine Spannung vorhanden sein sollte, eine Geschichte erzählt werden oder Personen geführt.

Exemplarisch dafür, wie man einen Parsifal nicht aufführen sollte, ist die Neuproduktion an der Staatsoper Berlin, bei der Barenboim mit seiner Langsamkeit und Spannungsarmut die Sänger musikalisch erwürgt und die Szene sich auf in düsteres Licht und Theaternebel getauchtes statisches Rampenstehen beschränkt. Dmitri Tcherniakov scheint ein gefeierter Regisseur für seine Fähigkeit zu sein, ein eindrucksvolles Bühnenbild auf die Bühne zu stellen und in diesem möglichst wenig zu erzählen was „von der Musik ablenken“ könnte.

Angedeutet werden die Gralsritter und Klingsor als verschiedene Sekten, die… – nun eben eine Sekte sind. In diesem möchtegern-skandalösen Setting wird dann völlig altbackenes Rumsteh-Theater präsentiert. Alle bewegen sich weihevoll, langsam und statisch. Es passiert eigentlich nichts, es wird keine Geschichte erzählt, es wird nur stümperhaft bebildert. Im 2. Aufzug beschränkt sich die Inszenierung auf eine Doppelung der gesungenen Handlung, ganz toll. Nur zum Ende des 3. Aufzugs scheint es, als habe Tcherniakov mal in die Partitur geschaut: hier wird der Chor deutlich in zwei Gruppen unterteilt, die in ihrer Panik ob des bevorstehenden Todes sich zu prügeln anfangen, danach wird die einzige Frau Kundry durch Gurnemanz ermordet (was wir so schon von Konwitschny/Hintze kennen, aber immerhin).

Dieses szenische Nichts wäre nicht so schlimm, wenn nicht Barenboim jegliche musikalische Spannung abtöten würde. Auch Barenboim versucht, die Musik möglichst weihevoll erscheinen zu lassen – und scheitert kläglich. Das ist schade, da die Staatskapelle wunderbar spielt, ein schöner Klang und wunderbare Soli. Bereits das Vorspiel hat gefühlte 30 Generalpausen, auch danach wird alles zerdehnt wie nur möglich, jegliche Spannung geraubt. Einen großen Bogen gibt es nicht, es bleibt bei einer zerfaserten Darstellung möglichst statisch vorgetragener einzelner Stellen. Besonders schlimm ist, dass Barenboim den Sängern jegliche Luft zum atmen und gestalten abschnürt.

Leider, denn aufgefahren wurde ein beeindruckendes Sängerensemble. Anja Kampe trotzt einer Erkältung (in zwei wirren Reden durch den greisen Herrn Flimm angesagt) und singt die Kundry präsenter und schöner als die meisten anderen Sängerinnen derzeit. Aufgrund der Erkältung fehlen ihr leider die Höhen fast vollständig und auch laute Ausbrüche sind nicht möglich – es wird dennoch deutlich, welche Kundry der Extraklasse Kampe sein kann. Rene Pape ist zweifellos einer der weltbesten Bässe, er singt die Rolle balsamisch, rund, geprägt von merklich tiefen Verständnis der Rolle und kommt mit den Tempi zu Recht – leider verlässt ihn zum Ende hin die Kraft, wie man das vor ein paar Jahren nicht erwartet hätte. Wolfgang Koch ist ein klangschöner und stimmgewaltiger Amfortas, der die Leiden eindringlich singt – allerdings unter dem Dirigat zu leiden hat. Matthias Hölle überzeugt mit profundem Bass ebenso wie Tomas Tomasson als, wenn auch etwas frei gestalender, Klingsor. Die wenigste Mühe hatte Andreas Schager – stimmgewaltig, ausdrucksstark und intensiv sang er einen mustergültigen Parsifal.

Wenn zum Schluss der klangschöne, aber wenig durchschlagskräftige, Chor die Arme kollektiv gen Himmel auf der Suche nach Erlösung reckt, ist dieses Bild für einen Moment durchaus eindrücklich. Allerdings braucht Barenboim  endlos, um endlich, endlich fertig zu werden. Je länger der Chor mit den Händen in der Luft rumfuchteln muss, umso mehr scheint es das Flehen an Barenboim zu werden: „bitte erlöse uns und das Publikum von unseren Leiden und mach endlich Feierabend!!“.

Musikalisch und szenisch hat Karlsruhe da die Nase klar vor Berlin, obwohl das insgesamt auch nicht viel besser wird. Mit Keith Warner hat man immerhin einen Regisseur, der den Begriff Personenführung schonmal gehört hat und sich größtenteils bemüht, das umzusetzen. Allerdings beschränkt auch er sich dabei auf das – nicht sehr spannende – Erzählen der Geschichte. Das Bühnenbild ist beeindruckend, über die Drehbühne können viele verschiedene Orte gezeigt werden. Leider wird die Drehbühne vor allem genutzt um davon abzulenken, dass Warner nicht wirklich was zu erzählen weiß. Anfangs sehr beeindruckend sind die Lichteffekte und wechselnden Stimmungen. Aber nach dem hundersten Wechsel wird das auch einfältig, da man bald lernt „Neuer Sänger oder neue Handlung, neues Licht“.

Den Schluss setzte Warner dann völlig in den Sand: das Gralsgefäß ist verschwunden, stattdessen kommen bunte Männer und Frauen auf die Bühne – und natürlich darf der ins Publikum leuchtende Scheinwerfer nicht fehlen. Ein furchtbar kitschiges Bild, das zeigt, dass Warner das Werk nicht verstanden hat. Warner ist offensichtlich nicht daran interessiert, den Parsifal zu erzählen, sondern nur in Weihe und Kitsch zu schwelgen. Dazu kommt, dass der 3. Aufzug gähnend langweilig dirigiert ist. Auch Justin Brown versucht dort sich im weihevollen und möchte es zelebrieren, kann dabei jedoch kaum Spannung aufrechterhalten. Schade, da es die ersten beiden Aufzüge viel besser war: Insbesondere der 2. Aufzug ist musikalisch packend erzählt. Im 1. Aufzug ist Brown nur 2 Minuten langsamer als Barenboim, dennoch ist Browns Dirigat viel dynamischer, harmonischer, flüssiger und runder.

Bei den Sängern gab es bis auf den Gurnemanz von Alfred Reiter, dessen eher kleine Stimme nicht ausreichend zur Geltung kommt und vor allem im 3. Aufzug oft kaum mehr zu hören ist, allesamt Rollendebüts. Das wird mal besser, mal schlechter bewältigt. Christina Niessen gibt alles und singt eine durchaus beeindruckende Kundry mit einer wunderbar weichen und schönen Stimme. Gesund für ihre Stimme ist das auf Dauer aber sicherlich nicht. Solide der Titurel von Avtandil Kaspeli, beeindruckend und stimmgewaltig der Amfortas von Renatus Meszar (für mich der beste Sänger des Abends). Erik Nelson Werner als Parsifal singt baritonal, teils gaumig und gepresst, aber insgesamt doch durchaus rollendeckend und kräftig. Überzeugen kann auch Jaco Venter als szenisch und musikalisch präsenter Klingsor.

Insgesamt sind also beide Aufführungen reichlich zähe Angelegenheiten, die ein starkes Plädoyer dafür sind, den Parsifal mal für längere Zeit an Ostern nicht aufzuführen. Nach vielen Irniss und Leiden Pfade wünscht man sich Erlöser in Form von Dirigenten und Regisseuren, die etwas zum Stück zu sagen haben und noch dazu Grundlagen des Regiehandwerks beherrschen. Hoffen wir, dass bald mal wieder ein solcher den Gralsbezirk einer Opernbühne betreten wird.

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Neue Veröffentlichung: Zur Zulässigkeit von Videoüberwachung, im Tagungsband Herbstakademie 2014

Neu erschienen ist der Artikel „Die Zulässigkeit von Videoüberwachung – eine Systematisierung der Anforderungen des BGH“, in: Taeger, Jürgen (Hrsg.), Big Data und Co – Neue Herausforderungen für das Informationsrecht – Tagungsband Herbstakademie 2014, S. 391 – 406. Einen Überblick über die dort dargestellte Rechtslage findet sich im Blog der Kanzlei Lachenmann. Der Beitrag wurde erweitert durch einen Vortrag am 12.9.2014 im Rahmen der DSRI-Herbstakademie in Mainz.

Fundstelle: Lachenmann, in  Taeger, Jürgen (Hrsg.), Big Data und Co – Neue Herausforderungen für das Informationsrecht – Tagungsband Herbstakademie 2014, S. 391 – 406.

Anmerkung für Kollegen: Der Beitrag wird demnächst über Beck Online auch für  Abonnenten des Moduls Multimedia-Recht abrufbar sein.

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Neue Veröffentlichung: Lachenmann/Schwiering, NZV 2014, 291 zu Dashcams

Neu erschienen ist der Artikel „Betrieb von Videokameras in PKW Datenschutzrechtliche (Un-)Zulässigkeit des Betriebs von On-Board-Kameras in PKW“ in der  NZV 2014, 291 zur Unzulässigkeit von Dashcams und Vorausstezungen der Zulässigkeit weiterer On-Board-Kameras in Bussen, Bahnen und Taxen. Einen Überblick über die dort dargestellte Rechtslage findet sich im Blog der Kanzlei Lachenmann.

Verfasst mit RA Sebastian Schwiering von Abedin & Schwiering in Aachen.

Fundstelle: Lachenmann/Schwiering, NZV 2014, 291.

Anmerkung für Kollegen: Der NZV-Beitrag ist über Beck Online auch für  Abonnenten der Module Multimedia-Recht und Datenschutzrecht abrufbar.

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Opern-Kritik: Die Meistersinger von Nürnberg, Premiere in Karlsruhe am 27.4.2014

Opern-Kritik: Die Meistersinger von Nürnberg, Premiere in Karlsruhe am 27.4.2014

Ich war inzwischen schon länger nicht mehr in der Karlsruher Oper – der Schock über den Lohengrin-Flop saß wohl zu tief. Die Meistersinger-Premiere aber konnte man sich natürlich nicht entgehen lassen. Und was für ein Triumph wurde das! Eine dieser Sternstunden, die man nur selten erlebt. Aus der perfekten Verbindung von Musik und Szene ergab sich eins dieser Gesamtkunstwerke, wie sie den besonderen Zauber der Liveaufführung ausmachen, aber nur selten zu erleben sind.

Die Aufführung überzeugte dabei mit einem hochkarätigen Sängerensemble, angeführt von Renatus Meszar als nie ermüdender und mitreißender Sachs, der trotz etwas trockener Stimme zum sängerischen Zentrum der Aufführung wurde, Armin Kolarczyk als ebenso mitreißender und präsenter Beckmesser, Guido Jentjens als stimmgewaltiger Pogner und Eleazar Rodriguez als stimmschöner, junger, textverständlicher und präsenter David. Überzeugen konnte auch Daniel Kirch als Stolzing, auch wenn seine Stimme in den Höhen etwas spröde blieb und er beim Preislied etwas schwächelte, insgesamt doch ausgezeichnet. Nicht ganz mithalten konnten die Damen, Rachel Nicholls als Eva etwas angestrengt, vor allem in den Höhen teils etwa schrill. Aber die sang sich zunehmend frei und sang so einen durchaus achtbaren dritten Aufzug. Dass auch Stefanie Schaefer als Lene wenig präsent blieb fiel aber kaum ins Gewicht.

Wenn man einen Schwachpunkt suchen müsste, am ehestens noch das Dirigat des wild rumfuchtelnden GMD Justin Brown, der gehetzt über viele Schönheiten und Details der Partitur hinwegdirigierte und sich eher aufs Krachen konzentrierte. Dennoch war es nicht zu laut, die Sänger wurden kaum überdeckt, die Einsätze stimmten und er sorgte für einen Zusammenhalt zwischen Bühne und Graben und verband alles zu einem Großen. Also Kritik auf hohem Niveau. Überzeugen konnte auch der stimmschöne Chor, obwohl er akustisch nicht immer einfach positioniert war.

Dass diese Aufführung eine solche Sensation wurde, ist neben dem beeindruckenden musikalischen Niveau insbesondere der grandiosen Inszenierung von Tobias Kratzer zu verdanken. Eine solche detailreiche, genaue, durchaus partiturnahe, tiefgründige, witzige und spannende Inszenierung der Meistersinger habe ich bislang nur von Homoki an der KOB gesehen. Kratzer schafft es bereits innerhalb der ersten Minute nach dem Heben des Vorhangs, eine unglaubliche Spannung und sprühenden Witz zu versprühen, dass man sofort in den Bann gezogen wird – und hält dies durchgehend bis zum Schluss, an dem sich der Bogen zum Beginn schließt (wie, sei nicht verraten).

Der Abendvorhang zeigt bereits, wohin die Reise geht: Die Collage von Aufführungsplakaten und CD-Covern der Meistersinger von Salzburg 1937 bis zu Katharinas Bayreuther Inszenierung spannt den Bogen von Kunstdiskurs und Rezeptionsgeschichte. So finden wir uns beim Choral denn auch in einer von Beckmesser geleiteten Chorprobe, unter den gestrengen Augen einer Lorbeer-bekränzten Büste des Meisters, der Beckmesser immer wieder huldigen wird und die bis zum Schluss in die Inszenierung eingebunden bleibt. Das (sehr wandelbare) Einheitsbühnenbild besteht aus drei Kammern, dem großen Hauptraum und zwei Nebenräumen, in denen einerseits an der Kaffeemaschine die Meister plaudern oder Sachs und Eva schäkern können, andererseits die Lehrbuben die Sitzung abwarten müssen und Stolzing den Saal betreten kann, um so Eva von der Probe abzuhalten und dabei alle Teilnehmer zu stören.

Der zweite Aufzug zeigt dank der Drehbühne eine Zeitreise durch gleich drei Bühnenbilder: Butzenscheibenromantik der Uraufführung (Szenenapplaus), Reduzierung auf eine schräge Bühne mit Flieder wie bei Wieland Wagner – und einen hässlichen Betonhinterhof mit „Mister Minit“-Schumacher – Schlüsseldienst usw. als Schusterstube, (gut frequentierte) Dönerbude und Mülltonnen, den Castorf-Ring ironisierend. Stolzing steht beeindruckt und ratlos vor dieser Rezeptionsgeschichte – irgendwie war alles schon zu sehen, was soll man noch neu machen? Die Prügelszene ist denn auch folgerichtig ein Kampf von „Staubis“ gegen „Moderne“. Der dritte Aufzug zeigt zu Beginn das Innere der Schusterstube mit Flügel und Wagner-Büste, sodann umgebaut zu einer Art Konzertsaal, die Meistersinger im Hauptraum, der Pöbel muss in den beiden Seitenräumen bleiben und dort die Aufführung mittels HD-Video verfolgen – Kino aus der Konserve statt Liveerlebnis. Bei seinem Preislied bricht Stolzing diese Trennung auf, öffnet die Türen und verbindet so Volk und Meister.

Die Inszenierung überzeugt durch eine ausgefeilte, detailreiche Personenregie, die bis ins kleinste durchdacht und logisch ist. Durch die Einbindung in den großen Kontext der Frage von moderner Kunst und ihrer Umsetzung in unserer Welt zwischen Erstarrung und neu zu Schaffendem entfacht Kratzer so einen Furor, der ein intensives Erleben der Oper ermöglicht. Trotz der durchaus modernen Inszenierung wird die Partitur dabei sehr genau gelesen und betont, sei es die detailreiche Zeichnung der verschiedenen Meistersinger (vom kiffenden Hippie, der Stolzings Nicht-Konformität durchaus goutiert, hin zum arroganten Spießer mit Schoßhund – natürlich der Meister, der sich besonders vehement gegen die Öffnung zum Volke hin ausspricht), die Betonung einzelner schöner Kleinigkeiten der Partitur (z.B. wird Sachsens/Wagners Witz von der Morgentraumdeutweise als „Nottaufe“ deutlich gemacht, indem sich Sachs die Hand zu Pistole geformt an die Schläfe hält), teils ironischer Umdeutung des Textes (Aus den „Blumen und Bänder“, die Sachs zu Beginn des 3. Aufzuges sieht, werden Davids blaues Auge und sein Verband am Arm), augenzwinkernder Kommentierung des Werks durch den Regisseur (z.B. bei Davids Aufzählung der zu lernenden Weisen im 1. Aufzug, zweifelsfrei eine Länge im Werk, gähnt Stolzing deutlich – und flirtet lieber mit den Mädels unter den Lehrbuben), und witziger Gegenläufigkeit zum Text (wenn der Chor vor Stolzings Preislied singt „Ein guter Zeuge, stolz und kühn!“, fuchtelt Stolzing gerade wie wild vor der Kamera rum und verbietet sich sehr unsouverän, aufgenommen zu werden). Dies nur ein minimaler Ausschnitt aus dem Feuerwerk der Personenregie.

Dies alles wird eingebunden in die großen, bewegenden Fragen der Oper. So wird der Kampf Sachsens mit sich selbst, ob er denn nun doch um Eva werben soll, Gefühl gegen Vernunft, hinreißend dargestellt. Das Ringen mit sich selbst wird ihm umso schwerer gemacht, als Eva in der Schusterstube nicht aufgibt (sie weiß ja noch nicht, dass Beckmesser das Lied klaute und sich nun alles zum Guten wenden wird!) und sich immer wieder an Sachs wirft, auch nachdem er sie fast schon gewalttätig zu Stolzing hindrückt. So leidet und wütet Sachs auch noch während des Aufzugs der Zünfte, der uns völlig verweigert wird (der Chor steht im Zuschauerraum).

Beckmesser ist nicht der Wagner-Gegner der Hanslick-Karikatur, sondern ein Klischee-Wagnerianer, der die Büste immer wieder anbetet und offensichtlich in Erstarrung versunken ist (ein Schelm, wer denkt, sein gestreifter, über den Rücken gelegter Pullover sei eine Anspielung auf einen aktuellen Dirigenten in Bayreuth, der ständig Wagner auf irgendwelche Sockel stellen möchte). So wird sein Auftritt in der Schusterstube zu einer der besten Szenen des Abends: Wenn Beckmesser vor der Büste darnieder sinkt und sie anbetet, öffnet sich die Türe – und nebelumrankt tritt der verstaubte Meister persönlich ein. Freilich küsst ihm Beckmesser sofort die Füße, betet ihn an, schmiegt sich an ihn – Wagner stößt ihn erst verächtlich weg, dann versohlt er ihm ordentlich den Hintern. Im Gehen projiziert der Meister noch ein „Kinder, schafft Neues!“ an die Wand (Szenenapplaus). Beckmesser kapiert es natürlich nicht, er betet auch weiterhin die Asche an, anstatt das Feuer aufrecht zu erhalten. Trotz vielfachen Gelächters gibt es dann zum Schluss für mich erstaunlich viele Buhs für das Regieteam – vermutlich hat man im Gegensatz zu Beckmesser durchaus verstanden, dass einem hier durchaus ans Bein ge… äh, ordentlich der Hintern versohlt wird. Es gibt nur wenige Aufführungen, unbedingt hinfahren!!!

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Opern-Kritik: Lohengrin, Wiener Staatsoper (Homoki/Franck)

Opern-Kritik: Lohengrin, Wiener Staatsoper (Homoki/Franck)

Im Treppenaufgang auf dem Weg zum Platz spricht mich eine neben mir laufende Frau mit strahlendem Gesicht an: „Heute wird es ein toller Abend! Die Premiere war nicht so gelungen, aber heute Abend wird es toll – ich spüre es!“. Über soviel positive Energie erfreut stieg die Spannung – und wurde nicht enttäuscht. Vielleicht hat die Dame ihre Energie ja tatsächlich auf die Künstler übertragen. So überzeugte die 2. Lohengrin-Aufführung der neuen Serie mit hohem musikalischem Niveau und einer detailgenauen Inszenierung.

Homoki hat ja in weiten Kreisen den Titel des „Regietheaterverbrechers“ verliehen bekommen. Ich habe nie verstanden warum, immerhin modernisiert er nur behutsam und legt großen Wert auf genaues Partiturlesen und eine nachvollziehbare Erzählung der Geschichte. Der Lohengrin ist dabei sicherlich nicht der ganz große Wurf, sondern bleibt viel zu brav und zurückhaltend. Eine für Repertoire gut geeignete Inszenierung, von der man denken sollte, dass sie auch den Konservativen gefällt, da sie sich größtenteils auf die „bloße Erzählung der Geschichte“ beschränkt (soweit das möglich ist).

Dabei beginnt es noch mit einem großartigen ersten Aufzug, der sehr genau gearbeitet ist und dank behutsamer Bebilderung im Vorspiel die Geschichte erst richtig verständlich macht. Auch die Verlegung in eine ländliche Gegend in Bayern, Österreich oder Schweiz überzeugt, da so glaubhaft wird, dass das Volk so einfach sich von dem „Wunder“ blenden lässt. Die genaue und detailreiche Personenführung mit vielen den Text verdeutlichenden Kleinigkeiten macht den ersten Aufzug ungemein spannend. Besonders begeistern kann die Chorführung und das Auftreten König Heinrichs. Das ist ja meist eine sehr statische Partie, der König steht halt gewichtig da und singt bedeutungsschwanger – nicht so in Wien. Hier wird, angelehnt an die nachgewiesene Historie, der König gezeigt als einer, der einen fernen Winkel seines Reiches besucht, das Volk ersteinmal auf seine Seite bringen muss und um die Teilnahme an seinem Krieg noch werben muss. Telramund ist da ein echter Gegenspieler Heinrichs, der bis zu diesem Zeitpunkt einen großen Teil des Volkes hinter sich hat und gegen den König intrigiert. Insofern wird auch Elsa instrumentalisiert. Überhaupt schauspielert Günther Groissböck grandios und macht auch seine Zweifel an Elsas Schuld und seine Zurückhaltung der Verurteilung bewegend deutlich. Insgesamt ist das schlicht grandios gearbeitet.

Leider kann das Niveau nicht gehalten werden, in den beiden weiteren Aufzügen passiert nurnoch wenig neues, die Geschichte nimmt halt ihren Lauf. Insofern wundern auch die Aussagen „das Bühnenbild wird langweilig“ nicht – auch wenn es eher die Inszenierung als das Bühnenbild sein dürfte. So wird Elsa gezeichnet wie man sie halt kennt als das kleine, zurückhaltende Mädchen, statt als die selbstbestimmte und willensstarke Frau die sie ist. Auch das Thema Nationalismus wird durch die ländliche Umgebung zwar angedeutet, dann aber nicht weiter ausgeführt, obwohl sich das ja angeboten hätte (umso mehr wenn man es ohne den letzten Strich gespielt hätte oder „Führer“ statt „Schützer“ singt). Aber das ist Kritik auf hohem Niveau, es gibt durchgehend eine Personenführung und eine klare Linie, was ja schon mehr ist als viele Inszenierungen bieten.

Durchaus überzeugen kann Mikko Franck mit einem zupackenden und sängerfreundlichen Dirigat, auch wenn das Vorspiel wenig sphärisch gelingt und öfters Lautstärke und Effekt dominieren. Aber ebenso gibt es viele berührende Stellen und insgesamt eine packende Aufführung. Auch der Chor war schauspielerisch und musikalisch ausgezeichnet.

Sängerisch ist das Niveau ganz vorzüglich. Allen voran natürlich mit derzeit DEM Lohengrin schlechthin, Klaus Florian Vogt. Seine Stimme kann man mögen oder nicht – nicht leugnen kann man hingegen seine differenzierte und genaue Interpretation der Rolle und seine ständige, mühelose stimmliche Präsenz. Er begeistert zudem mit einer genauen Gestaltung der Rolle und vermittelt überzeugend, diese im Detail zu kennen. Sicherlich keine Holzhammerinterpretation, sondern eine zarte und dezente. Dem nicht nach steht Günther Groissböck, der zwar weniger Tiefe haben mag, als manch anderer großer Vorgänger, aber gerade dadurch der Rolle ein besonderes Etwas gibt. Völlig Textverständlich, detailreich ausgestaltend und interpretierend, stimmschön und den großen Bogen stets erkennen lassend ist dieser kluge Sänger ein echtes Erlebnis. Auch Wolfgang Koch begeistert mit einer großen stimmlichen Präsenz und mitreißenden Gestaltung – auch wenn er die Partitur doch eher etwas frei nimmt und öfters mit dem Holzhammer gestaltet. Ein beeindruckender, ungemein präsenter Telramund. Ebenfalls überzeugen konnte Detlef Roth als Heerrufer. Sicherlich hat er eine für die Partie ungewöhnlich (zu?) helle, fast schon tenorale, Stimme. Dennoch überzeugt auch er mit einer sehr genauen Interpretation und Gestaltung der Rolle ebenso wie mit großer Textverständlichkeit. Nicht mithalten können die Damen. Camilla Nylund klingt öfters angestrengt und etwas breiig, da wäre deutlich mehr drin. Auch Michaela Martens als Ortrud ist der Rolle nicht gewachsen, sie klingt etwas piepsig und zu angestrengt. Allerdings gibt es ja derzeit kaum jemanden, der die Rolle adäquat singen kann und insbesondere der Schluss gelingt ihr durchaus achtbar. Da sie auch ungemein präsent schauspielert, geht das insgesamt durchaus in Ordnung – die einzelnen Buhs waren jedenfalls völlig daneben. Insgesamt also eine sehr gelungene und runde Aufführung, deren Besuch absolut lohnte.

PS: Die Kritik bezieht sich auf die 2. Vorstellung der Serie vom 16.4.2014.

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Neue Veröffentlichung: Zur Unzulässigkeit des Stream-Konverters YoutTube-MP3-org in MMR-Aktuell

Neu erschienen ist eine Anmerkung zu einer Unterlassungsverpflichtung vor dem LG Hamburg, der die Zulässigkeit der Software näher prüft. Fundstelle: Unzulässiges Angebot eines Stream-Konverters – aber keine generelle Unzulässigkeit, MMR-Aktuell 2013, 352345 (mit Fabian Janisch).

Mehr Infos dazu hier.

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